Lesen und Schreiben sind der Schlüssel zu Bildung und damit der Zugang zu einem wirtschaftlich gesicherten Leben. Bildung und Armut sind eng miteinander verwoben und bedingen sich gegenseitig. Wer gegen Armut in der Welt kämpfen will, muss also auch die Bildungschancen erhöhen. Wie sieht es zurzeit mit dem weltweiten Bildungsstand aus und wie hoch ist die Analphabet:innenquote?
Im September 2015 wurde von den Vereinten Nationen in den Sustainable Development Goals (SDGs) festgehalten, welche Nachhaltigkeitsziele bis 2030 erreicht werden sollen. Darunter fällt auch das Ziel „bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicher[zu]stellen sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen [zu] fördern“.[1]
Der jährlich veröffentlichte Weltbildungsbericht der UNESCO-Kommission zeigt, dass weltweit immer noch ca. 258 Millionen Kinder keine Schule besuchen, das sind etwa 17 Prozent aller Kinder weltweit. Ein Großteil lebt in afrikanischen und asiatischen Ländern. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle, die größte Hürde ist jedoch die Armut. Viele Kinder sollen zu Hause auf ihre Geschwister aufpassen, während die Eltern arbeiten oder sie sollen selbst arbeiten, um die Familie finanziell zu unterstützen. Einige Familien können sich schlicht die Schulmaterialien nicht leisten, wieder andere Kinder erkranken mehrmals oder dauerhaft und verpassen viel Lernstoff, den sie kaum nachholen können. Familien, die in Armut leben, haben oft keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser oder sanitären Anlagen. So entstehen häufig Krankheiten, die Kinder daran hindern, am Schulunterricht teilzunehmen.
Neben der Armut spielt Diskriminierung eine große Rolle, ob Kinder in die Schule gehen können oder wollen. Mädchen und junge Frauen werden oft benachteiligt, indem ihnen die Schulbildung gänzlich untersagt wird, vor allem schwangere Mädchen werden häufig aus dem Unterricht ausgeschlossen. Fehlende Sanitäranlagen oder mangelnde Hygieneprodukte in den Schulen sind ebenfalls für viele Schülerinnen Gründe, um nicht am Unterricht teilzunehmen, wenn sie ihre Menstruation haben.
Kinder mit Behinderungen erfahren kaum Unterricht, der auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Es mangelt an geschulten Lehrkräften und an Schulmaterialien, die auf sie ausgerichtet sind. Die Folge ist, dass sie Unterrichtsinhalte nicht ausreichend erfassen können oder aus Demotivation aufgeben und die Schule nicht mehr besuchen möchten.
Sexuelle Orientierung und optische Auffälligkeiten wie Albinismus oder körperliche Behinderungen sind in vielen Ländern (Albinismus vor allem in afrikanischen Ländern) ebenfalls Auslöser für Mobbing und Diskriminierung, sodass sich Kinder und Jugendliche weigern die Schule zu besuchen, weil sie sich nicht sicher genug fühlen und verbale als auch physische Angriffe befürchten.
Die fehlende Schulbildung wird im Erwachsenenalter nur selten nachgeholt, sodass weltweit Millionen von Menschen ihr Leben bestreiten ohne richtig Lesen und Schreiben zu können. Indien steht dabei an der traurigen Spitze: Allein in diesem Land leben ca. 33 Prozent der weltweiten Analphabet:innen, das sind etwa 256 Millionen Menschen – eine Zahl, die kaum greifbar ist.[2] Dahinter folgen Pakistan mit 52,2 Millionen und Bangladesch mit 43,8 Millionen.
Insgesamt gibt es laut Schätzungen der UNESCO rund 750 Millionen Analphabet:innen weltweit, davon sind zwei Drittel Frauen.[3] Eine erschreckende Bilanz, die die oben genannten Gründe widerspiegelt.
Doch es gibt auch erfreuliche Nachrichten: In den arabischen Ländern konnten in den letzten zwanzig Jahren weltweit die größten Fortschritte verzeichnet werden. Dort stieg die Alphabetisierungsquote von 55 Prozent auf 78 Prozent an, insbesondere in Saudi-Arabien, Libyen und Algerien gab es positive Entwicklungen (Studienergebnisse von 2015).[4]
Weltweit verteilt sich die Analphabet:innenquote laut UNESCO (2015) folgendermaßen:
Was kann man für faire Bildungschancen tun?
Die Corona-Pandemie hat viele Kinder und Jugendliche, die bislang ohnehin aufgrund ihrer Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderung oder ökonomischer Gründe innerhalb des Bildungssystems ausgegrenzt worden sind, noch weiter nach hinten geworfen – weltweit und auch in Deutschland. Aus diesem Grund hat die UNESCO in ihrem Weltbildungsbericht von 2020 beschlossen, verstärkt Inklusion zu fördern – denn Bildung „für alle heißt für alle“. Das bedeutet, dass Inklusion nicht nur gegenüber Menschen mit Behinderung gefördert werden muss, sondern dass es Gleichberechtigung hinsichtlich aller maßgeblichen Aspekte geben sollte.
„Bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sicherstellen sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen fördern.“
Um das Bildungsziel der UNESCO zu erreichen, sollen unterschiedliche Punkte gefördert werden:
Analphabetismus in Deutschland
Bei uns in Deutschland leben laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung ca. 7,5 Millionen erwachsene Menschen zwischen 18 und 68 Jahren, die nicht richtig lesen und schreiben können. Eine unfassbar hohe Zahl, denn das bedeutet, dass in Deutschland fast jede neunte Person davon betroffen ist. Rund 60 Prozent der Analphabet:innen in Deutschland sind dennoch erwerbstätig. Da der Analphabetismus oft schon in den Grundschuljahren entsteht, wird häufig die Fehldiagnose „Legasthenie“, also eine Lese-Rechtschreib-Schwäche gestellt. So bleiben viele Analphabet:innen verschleiert und unentdeckt, meist über Jahrzehnte hinweg.
Im Gegensatz zur Legasthenie liegt dem Analphabetismus keine genetisch vererbbare Ursache zugrunde, sondern vielmehr ungünstige Lebensumstände: Häufige Umzüge und damit verbundene Schulwechsel, psychische Probleme und Stresssituationen in der Familie sind in Deutschland typische Entstehungsgründe für Analphabetismus.[5]
Für den einzelnen Menschen bedeutet der Analphabetismus eine Vielzahl von Einschränkungen im Alltag. Bedrückende Schamgefühle und die Angst, bloßgestellt zu werden, begleiten Betroffene meist jahrelang, wenn nicht sogar ein ganzes Leben. Hinzu kommt, dass ihnen wichtige Informationen aus den verschiedensten Lebensbereichen nicht zugänglich sind, wie beispielsweise Hinweise auf Beipackzetteln von Medikamenten, Arbeitsverträge und Arbeitsanweisungen, sowie auszufüllende Formulare von Ämtern oder Arztpraxen. Auch in der Mobilität sind Analphabet:innen eingeschränkt, beispielsweise wenn Zugverbindungen ausfallen und Ersatzstrecken nur schriftlich auf Bildschirmen oder Aushängen mitgeteilt werden oder die Durchsagen akustisch zu undeutlich sind.[6]
Das deutsche Bundesbildungsministerium will von 2016 bis 2026 mehrere Projekte fördern, die erwachsenen Menschen im Erlernen von Lesen und Schreiben unterstützen. Rund 180 Millionen Euro sollen dafür in die Projekte fließen, die hauptsächlich von der „AlphaDekade“ ausgeführt werden. Unterstützt werden vor allem beschäftigte Analphabet:innen, um ihre Arbeitsplätze zu sichern und Weiterbildungen zu ermöglichen. Andere Projekte helfen beispielsweise dabei, Mietverträge und Behördenbriefe zu lesen oder zu beantworten.
Die LEO-Studie hielt 2018 fest, wie hoch der Anteil von Analphabetismus in den verschiedenen Berufsbereichen ist. In der Lebensmittelherstellung ist der Anteil besonders hoch, er liegt bei 47 Prozent. Dahinter folgt die Reinigungsbranche mit 30 Prozent.[7]
Quellen:
[1] https://www.unesco.de/bildung/agenda-bildung-2030/unesco-weltbildungsbericht (03.06.2021)
[2] https://www.alumniportal-deutschland.org/global-goals/sdg-04-bildung/infografik-analphabetismus-weltweit/ (03.06.2021)
[3] https://www.unesco.de/bildung/bildungsagenda-2030/noch-immer-mindestens-750-millionen-analphabeten-weltweit (03.06.2021)
[4] https://www.alumniportal-deutschland.org/global-goals/sdg-04-bildung/infografik-analphabetismus-weltweit/ (03.06.2021)
[5] https://www.alumniportal-deutschland.org/deutschland/land-leute/analphabetismus-in-deutschland-analphabeten-alphabetisierung/ (30.06.20219
[6] https://www.koalpha.de/informieren/was-ist-funktionaler-analphabetismus/ (30.06.2021)
[7] https://www.bmbf.de/de/nationale-strategie-fuer-alphabetisierung-und-grundbildung-erwachsener-1373.html (30.06.2021)
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