Nachhaltigkeit und Umweltschutz sollten nicht nur Trendthemen sein – das sieht die Verpackungsindustrie ähnlich und geht auf die stark wachsende Nachfrage von Verbraucher:innen ein: Immer mehr Menschen wünschen sich umweltfreundliche Verpackungen im Supermarkt, in der Gastronomie als auch bei Lieferdiensten. Das betrifft nicht nur Deutschland, sondern die gesamte EU – aus diesem Grund hat sich die Europäische Kommission im Umgang mit Kunststoffverpackungen ein neues Ziel gesetzt: Bis 2030 sollen vor allem Verpackungen aus Plastik wiederverwertbar oder recycelbar sein. Die Recyclingindustrie befindet sich ebenfalls im Wandel. Bislang galt offiziell alles, was den Recyclinghof lediglich erreichte bereits als „recycelt“, doch nun sollen nur die Wertstoffe als recycelt bezeichnet werden dürfen, die tatsächlich in neue Produkte wieder einfließen.[1] Damit ist Deutschlands Titel als Nummer Eins der „Top Entsorger“ nur relativ zu betrachten.[2]
Um den Wünschen von Verbraucher:innen nachzukommen, suggerieren Verpackungshersteller Recycling- und Nachhaltigkeitsversprechen, die Produkte umweltfreundlicher erscheinen lassen, als sie es tatsächlich sind. Beispiele dafür wären:
Vor allem die Altpapier-Optik von Milchkartons wird von der Verbraucherzentrale kritisch betrachtet, da diese von vielen Haushalten fälschlicherweise in der Altpapiertonne entsorgt werden, obwohl sie in den gelben Sack bzw. in die gelbe Tonne gehören. Eine wesentlich umweltfreundlichere Verpackung wäre hier zudem die Glasflasche oder der Milchbeutel. Der Beutel besteht zwar komplett aus Kunststoff, verbraucht aber insgesamt weniger Verpackungsmaterial und ist in der Herstellung weniger aufwändig als ein Milchkarton. In der Schweiz und in Italien ist der Milchbeutel bereits in vielen Haushalten akzeptiert, in Deutschland wird weiterhin der Karton bevorzugt.[4]
Mittlerweile gibt es zahlreiche Start-ups, die sich auf nachhaltige und biologisch abbaubare Verpackungslösungen fokussiert haben. Hier stellen wir euch sieben innovative Alternativen für Plastikverpackungen vor, mit denen die Lebensmittelbranche als auch Versandhäuser in Zukunft verstärkt arbeiten könnten.
Arekapak – natürliche Verpackungen aus Palmblättern
Verpackungen von Arekapak werden aus Palmblättern der Arekapalme hergestellt, die bereits von ihr abgeworfen wurden und herabgefallen sind. Die Blätter werden vom Boden aufgesammelt, gewaschen, eingeweicht und in der Sonne getrocknet. Anschließend werden sie in verschiedene Formen gepresst und fertig ist die biologisch abbaubare Verpackung. Die Herstellung geschieht vollständig ohne chemische Zusätze, ohne Erdöl und verbraucht nur wenig Wasser. Da lediglich die herabgefallenen Blätter für die Verpackungen genutzt werden, müssen keine Bäume gerodet werden.[5]
Inspiriert wurden die deutschen Gründer:innen von Arekapak von ihrer Reise nach Indien. Das faszinierende Land schockierte zugleich mit riesigen Bergen von Müll. Um dem entgegenzutreten, entwickelten sie ein Konzept für nachhaltige Verpackungen und riefen 2017 Arekapak ins Leben. Zurzeit wird der Prototyp weiterentwickelt und soll bald für die Lebensmittelbranche zugänglich sein.
Notpla – auflösbare Verpackungen aus Algen und anderen Pflanzen
Notpla-Verpackungen sind nicht nur auflösbar, sondern je nach Produktart sogar essbar. Sie werden aus braunem Seegras hergestellt, einer Pflanzenart im Gewässer, die extrem schnell nachwächst: bis zu einem Meter pro Tag! Zum Wachsen benötigt die braune Alge weder Dünger noch frisches Wasser, was sie zu einer besonders nachhaltigen Ressource macht. Notpla ist vor allem als Alternative für Einmal-Verpackungen gedacht. Aufgrund ihrer natürlichen Bestandteile sind Notpla-Materialien innerhalb von vier bis sechs Wochen biologisch abbaubar und können ohne Probleme im hauseigenen Kompost entsorgt werden. Zurzeit wird Notpla unter der Marke Ooho! vor allem für kleine Einmal-Verpackungen genutzt, für Getränke-Shots, Soßen und Dips. Alle Ooho!-Verpackungen sind essbar – die kleinen Getränke-Kissen können also einfach in den Mund gelegt werden. Als besonders praktisch erwiesen sich die Mini-Getränke zum Beispiel bei Marathonläufen. Die Läufer:innen bekamen sie am Wegesrand in die Hand gedrückt, sie konnten trinken und produzierten dabei keinen Müll, auf Flaschen und Pappbecher konnte verzichtet werden. Auch Gastronomie und Essenslieferanten reduzieren ihren Müll erheblich, wenn sie ihren Kund:innen Ketchup, Mayo und Salatdressings zukünftig in Seegras-Täschchen mitgeben statt in Plastiktütchen.[6]
Neben den transparenten Täschchen hat Notpla auch Verpackungsboxen auf den Markt gebracht, die ebenfalls aus biologisch abbaubaren Algen bestehen. Als Nächstes will Notpla unter anderem Netze (für Obst und Gemüse) und Beutel (für Schrauben, Nägel und Ähnliches) herstellen.[7]
Earth Packaging von SIRANE – umweltfreundliche Verpackungsalternativen
SIRANE ist ein britischer Hersteller, der neben einem großen Verpackungssortiment für Lebensmittel und Gastronomie nun auch eine umweltfreundliche und nachhaltige Reihe entwickelt hat. Unter der Kategorie „Earth Packaging“ stellen sie auf ihrer Webseite die plastikfreien, recycelbaren Standbodenbeutel für Lebensmittel vor und bieten anderen Unternehmen an, gemeinsam passende, nachhaltige Verpackungslösungen zu entwerfen, die auf das entsprechende Produkt ausgelegt sind. Bisher bestehen die Produkte von „Earth Packaging“ aus Papier und einem 100 % plastikfreiem Überzug. Die umweltfreundliche Verpackungsreihe ist noch sehr neu, was daran erkennbar ist, dass einige Unterseiten ihrer Homepage noch nicht abrufbar sind.[8]
Apeel – die natürliche Schutzschicht für längere Haltbarkeit und Frische
Bei Apeel handelt es sich um eine natürliche Schutzschicht auf pflanzlicher Basis, die auf Obst und Gemüse aufgetragen wird, um sie länger haltbar zu machen. Eine geniale Möglichkeit, die bereits in den Supermärkten von Edeka, Netto und Marktkauf angekommen ist: Avocados, Zitronen, Grapefruits und einige weitere Lebensmittel bleiben durch Apeel länger frisch – das erfreut nicht nur die Verbraucher:innen, sondern auch die Umwelt, denn so kann das Wegwerfen von Lebensmitteln reduziert werden. Die natürliche „zweite Haut“, wird aus Lipiden und Glycerolipiden hergestellt, die aus Obstkernen, Fruchtschalen und Fruchtfleisch gewonnen werden. Besonders praktisch: Diese Grundstoffe fallen in der Landwirtschaft an und fanden – vor der Technologie von Apeel – keine weitere Verwendung.[9]
Die Schutzschicht hilft Obst und Gemüse dabei, keine Feuchtigkeit nach außen abzugeben und gleichzeitig keinen Sauerstoff hineinzulassen. So bleiben die Lebensmittel saftig und bis zu doppelt so lange frisch wie üblicherweise. Mit der Apeel-Technologie wird nicht nur Verpackungsmüll reduziert, sondern insbesondere auch die Lebensmittelverschwendung.[10]
Outlander Materials – biologisch abbaubare Verpackungen aus Bier-Abfallprodukten
Das Ziel von Outlander Materials ist es nachhaltige Alternativen für Einweg-Plastik zu entwickeln. Für ihre Reihe „UnPlastic“ haben sie sich auf Verpackungen spezialisiert, die aus Abfallprodukten aus der Bierbrauerei stammen, die ohnehin in der Produktion anfallen. Dabei wurde vor allem darauf geachtet, dass die Stoffe keine Kunststoffe enthalten, kompostierbar sind und keine toxischen Stoffe freisetzen. „UnPlastic“ ist geruchlos, transparent und kann Lebensmittel vor Öl und Sauerstoff schützen, sodass sie länger haltbar bleiben. Das Material ist sehr flexibel und die Verwendungsmöglichkeiten vielfältig, sodass Obst und Gemüse jeglicher Form verpackt werden kann, aber auch feste Seifen oder Bonbons.[11]
Für 2021 plant Outlander Materials „UnPlastic“-Produkte für den Markt zugänglich zu machen.
Lactips – umweltfreundliche Plastikalternative aus Milchproteinen
Das französische Unternehmen „Lactips“ wurde 2014 gegründet und hat sich auf eine nachhaltige Plastikalternative für Einweg-Verpackungen spezialisiert, die auf Milchproteinen (Kaseinen) basiert. Das neu entwickelte Material ist wasserlöslich, biologisch abbaubar, essbar und kann in großen Mengen produziert werden. Da sich viele Eigenschaften überschneiden, kann das Lactips-Material leicht in bereits bestehende Herstellungsprozesse eingeführt werden, die bisher mit Kunststoffen gearbeitet haben. Die Produkte von Lactips sind in den verschiedensten Bereichen anwendbar, hier einige Beispiele:
Cellugy – plastikfreie Verpackungsalternative aus Zellulose
Das dänische Start-up Cellugy hat eine plastikfreie Verpackungsalternative aus Zellulose entwickelt, die ebenfalls biologisch abbaubar ist. Neben der Arbeit an ihrer Technologie hat sich Cellugy ein weiteres Ziel gesetzt: So viele Unternehmen wie möglich über die massenhafte Müllproduktion und dessen negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt aufzuklären. So will Cellugy erreichen, dass noch viele weitere Wissenschaftler:innen und Ingenieur:innen auf das globale Problem der Plastikproduktion aufmerksam werden und sich dafür begeistern, neue Ideen und Lösungswege diesbezüglich zu entwickeln.
Die Verpackungsalternative von Cellugy basiert auf Zellulose, also einem Vierfachzucker, das in einem biochemischen Verfahren aus Obst- und Gemüseabfällen gewonnen wird. Die Lebensmittelabfälle erhält das Start-up von dänischen Landwirt:innen aus der Region. Im direkten Vergleich zu Kunststoffen, die auf Erdöl basieren, hinterlässt das Cellugy-Material einen 60 bis 80 % geringeren CO2-Fußabdruck und kann zudem einfach auf dem hauseigenen Kompost entsorgt werden.[14]
Alle diese innovativen Start-ups und Verpackungsalternativen zeigen vor allem eines: Gesellschaft und Industrie befinden sich in einem Wandel und mittlerweile ist es bei vielen angekommen – wir Menschen müssen uns unseren Konsum bewusst machen und die Produktion von Plastikmüll deutlich reduzieren, der Umwelt und nachfolgenden Generationen zuliebe.
Trotz nachhaltiger Alternativen bleibt ein Lösungsweg wohl der beste und umweltfreundlichste: Weniger (online) kaufen und weniger wegwerfen.
Welche Auswirkungen unsere Lebensmittelverschwendung hat und Tipps, wie man sie reduzieren kann, findet ihr in unserem Blogbeitrag „Foodwaste – so viel landet im Müll“:
https://www.talk2move.de/neuigkeiten/foodwaste-so-viel-landet-im-muell/
Quellen:
[1] https://www.youtube.com/watch?v=34qrzD9OQ-M (abgerufen am 20.05.2021)
[2] https://deutsche-recycling.de/blog/top-und-flop-recycler-der-welt/ (abgerufen am 20.05.2021)
[3] https://www.youtube.com/watch?v=Mll8-7pzw0I (abgerufen am 20.05.2021)
[4] https://www.youtube.com/watch?v=HpcwiEF9lL8 (abgerufen am 20.05.2021)
[5] https://arekapak.de/ (abgerufen am 26.05.2021)
[6] https://www.notpla.com/products-2/ (abgerufen am 26.05.2021)
[7] https://www.notpla.com/technology/ (abgerufen am 26.05.2021)
[8] https://www.sirane.com/de/startseite-earth-packaging-de.html (abgerufen am 26.05.2021)
[9] https://www.edeka.de/unsere-marken/edeka-qualitaetsversprechen/apeel/apeel.jsp (abgerufen am 26.05.2021)
[10] https://www.apeel.com/ (abgerufen am 26.05.2021)
[11] https://www.outlandermaterials.com/unplastic (abgerufen am 26.05.2021)
[12] https://www.lactips.com/solutions/water-soluble-packaging/?lang=en (abgerufen am 26.05.2021)
[13] https://www.lactips.com/solutions/durable-packaging/?lang=en (abgerufen am 26.05.2021)
[14] https://cellugy.com/cellugy-and-circular-economy-addressing-and-narrowing-sustainability-issues/ (abgerufen am 26.05.2021)
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