Ob mit Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt – gegenderte Texte und Ansprachen begegnen uns immer häufiger. Doch wie sinnvoll ist Gendern überhaupt? Wird sich gendersensible Sprache langfristig durchsetzen oder ist sie doch nur ein Trend, der schon bald wieder abebben wird? In diesem Blogbeitrag wollen wir uns mit den Pros und Contras gendersensibler Sprache beschäftigen.
Gendern hat vor allem ein großes Ziel: Gleichberechtigung in der Sprache und daraus folgend in der Gesellschaft schaffen. Befürwörter:innen gendersensibler Sprache sind der Meinung, dass die deutsche Sprache bisher hauptsächlich männliche Bilder im Kopf erzeugt. Es gibt weibliche Personen, die sich auch durch das generische Maskulinum, also Bezeichnungen wie „Ärzte“, „Polizisten“, „Hausmeister“ etc., angesprochen fühlen – in unseren Köpfen entsteht beim Hören dieser Begriffe jedoch erstmal nur das männliche Bild. Weibliche Personen sind also in unseren „Gedanken“ und Vorstellungen kaum präsent, wenn wir das generische Maskulinum hören oder lesen.
Das generische Maskulinum entstand vor vielen Jahrhunderten in der deutschen Sprache, weil viele Berufe durchweg nur von Männern besetzt waren. Es gab demnach keinen Grund, auch Bezeichnungen für die Frau zu etablieren, weil es Frauen in diesen Berufen schlicht nicht gab.
Es gibt viele verschiedene Arten gendersensible Sprache umzusetzen, die drei bisher gängigsten Formen sind folgende[1]:
Die unterschiedlichen Gender-Zeichen werden vor allem in der LGBTQIA-Community unterschiedlich gewertet. Besonders positiv konnotiert ist das Gender-Sternchen, denn ein Stern als strahlendes Phänomen hoch am Himmel gilt für die meisten Menschen als schönes und angenehmes Symbol. Die Leerstelle mit dem Unterstrich dagegen missfällt vielen Gender-Befürwörter:innen, da eine Leerstelle für die Benennung aller Geschlechter mangelhaft sei. Große Verbreitung findet mittlerweile auch die Schreibweise mit Doppelpunkt. Das hat den Hintergrund, dass viele Auslese-Softwares (z. B. für Sehbehinderte) den Doppelpunkt als kurze Pause lesen können, das Gender-Sternchen jedoch nicht.[2] Der (Vor-)Lesefluss wird durch den Doppelpunkt weniger gestört und Texte sind verständlicher.
Gendersprache soll Frauen und Mädchen also sichtbarer machen. Aber ist das wirklich notwendig? Leider ja – denn verschiedene Studien haben gezeigt, dass es vor allem in der Berufswahl und in der Wahrnehmung von Stellenanzeigen einen großen Unterschied macht, ob gegendert wird oder nicht:
Waren Stellenanzeigen nur im generischen Maskulinum formuliert, so wie bei 1.), bewarben sich deutlich weniger Frauen auf die Stelle. Auf Anzeigentexte mit der Formulierung wie in 3.) bewarben sich dagegen gleich viele Frauen wie Männer. In Berufsfeldern, die stereotypisch „nur“ von Männern ausgeübt werden, zeigt gegenderte Sprache große Auswirkungen darauf, ob sich Frauen auf die Stelle bewerben oder nicht – wenn Frauen in Stellenanzeigen ausdrücklich erwähnt werden, trauen sie sich bestimmte Berufe deutlich häufiger überhaupt erst zu. Gendersensible Sprache kann also dazu beitragen, dass veraltete Rollenbilder aufgebrochen werden und stereotype Männerberufe öfter von Frauen und Mädchen ergriffen werden. Genauso übrigens umgekehrt bei stereotypischen Frauenberufen – Männer und Jungen bewerben sich öfter, wenn sie in Stellenanzeigen konkret benannt werden.[3]
Dass veraltete Rollenbilder immer noch erschreckend tief in uns verankert sind, hat auch eine Studie mit Kindern gezeigt. Wurden Berufe in der männlichen und weiblichen Form vorgestellt, also als „Manager und Managerin“ oder „Ingenieur und Ingenieurin“, gingen die Kinder häufiger davon aus, dass diese Berufe schlechter bezahlt und weniger wichtig seien. Tief in unserer Gesellschaft ist also immer noch der unterbewusste Gedanke verankert, Frauen und Mädchen seien minderwertig – und das im 21. Jahrhundert.[4]
Dennoch gibt es auch Gegenpositionen: Andere Ergebnisse aus der Wissenschaft zeigen, dass es vorteilhafter wäre, das Geschlecht nicht ausdrücklich zu betonen, sondern neutrale Berufsbezeichnungen zu verwenden. Interessanterweise bestätigt sich das in Ländern, in denen es in der Sprache keine (Geschlechter-)Artikel gibt: Dort sind Frauen generell häufiger berufstätig, unternehmerischer und sogar politisch aktiver.
In Sprachen mit Geschlechter-Artikeln birgt das Gendern also viele positive Aspekte – wieso sträuben sich dennoch so viele dagegen? Zurzeit sind zwei Drittel der Menschen in Deutschland gegen gendersensible Sprache und nur ein Drittel dafür.
Der Grund dafür könnte darin liegen, dass das Gendern gleich zwei Hürden hat: Es sieht optisch (im Text) schwierig aus und spricht sich ungewohnt aus. Wer gendern will, muss sich also gleich mit zwei Sinnen umstellen.
Vor allem die kurze Sprechpause beim Aussprechen von „Student:innen“, „Lehrer:innen“ etc. stößt auf große Ablehnung. Dabei kennen wir in der deutschen Sprache bereits Wörter mit ähnlichen Sprechpausen, mit dem sogenannten Glottisschlag:
Sprechpausen innerhalb einzelner Wörter sind in der deutschen Sprache an sich also kein komplett neues Phänomen. Dennoch ist es erst einmal eine Umstellung, an die wir uns gewöhnen müssen. Die grundsätzliche Ablehnung gegenüber gendersensibler Sprache, nach dem Motto „Ich lasse mir nicht vorschreiben, wie ich zu sprechen habe,“ kann sich jedoch in eine extremere Richtung bewegen und zu einer allgemeinen Ablehnung von Gleichberechtigung gegenüber Frauen und anderen Geschlechtern werden. In der Psychologie spricht man in diesem Fall von Reaktanz. Aus diesem Grund wird oft darüber diskutiert, ob gendersensible Sprache für die Gleichberechtigung von Frauen nicht sogar schädlich ist – da sie Irritation, Ablehnung und Unmut entfache. Zusätzliche Empörung entsteht, wenn von der Ablehnung der Gendersprache automatisch auf die politische bzw. innere Haltung geschlossen wird: Wer gendert gilt als offen, tolerant, politisch linksorientiert, liberal und aufgeklärt. Wer nicht gendert wird dagegen als intolerant, konservativ, rückständig, LGBTQIA-feindlich und häufig sogar als politisch rechtsorientiert wahrgenommen.[5]
Auffällig ist, dass sich junge Menschen schneller und selbstverständlicher in Gendersprache ausdrücken und sie schneller annehmen, als ältere Generationen. Das spiegelt sich auch in den verschiedenen Medien wieder: Auf den Social Media Plattformen wie Instagram, Facebook und YouTube ist gendersensible Sprache sehr präsent – Medien, die sehr viel von jungen Menschen konsumiert werden. Formate, die eher ältere Generationen ansprechen, beispielsweise im Fernsehen oder Radio, verzichten entweder gänzlich aufs Gendern oder verwenden die weniger irritierende Form der Feminisierung, also Bezeichnungen wie „Zuschauer und Zuschauerinnen“, „Politiker und Politikerinnen“, „Künstler und Künstlerinnen“ usw.[6]
Fest steht: Sprache dient an erster Stelle zur Kommunikation – die nur beidseitig funktioniert. Wenn der:die Sprechende mit den verwendeten Begriffen eine Personengruppe „mitmeint“, bedeutet das noch lange nicht, dass sich der:die Empfangende bzw. die Personengruppe auch tatsächlich mitgemeint fühlt. Um mit der eigenen Kommunikation und Sprache möglichst viele zu erreichen, kann es demnach durchaus sinnvoll sein, eine gendersensible Sprache zu verwenden, die nicht nur das generische Maskulinum beinhaltet.[7] Die vielen verschiedenen Schreibweisen und Möglichkeiten von gendersensibler Sprache zeigen, dass sich die Gesellschaft im Wandel befindet: Ob Feminisierung, Neutralisierung oder Gender-Zeichen, unsere Sprache bewegt sich in eine inklusive Richtung, in der sich jede:r angesprochen und repräsentiert fühlen soll. Es mag ein holpriger Weg sein und womöglich werden in naher Zukunft immer wieder neue Schreibweisen hinzukommen – bis sich eines Tages eine bestimmte Ausdrucksform für alle Geschlechter fest in unserer Sprache etabliert.
Quellen:
[1] https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/ (Stand: 07.09.2021)
[2] https://www.br.de/mediathek/video/beta-stories-zukunft-der-sprache-was-bringt-gendern-wirklich-s03-e05-av:60e8496a08373c00076931bf (Stand: 07.09.2021)
[3] https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/ (Stand: 08.09.2021)
[4] https://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1027/1864-9335/a000229?journalCode=zsp& (Stand 08.09.2021)
[5] https://www.ardmediathek.de/video/alles-wissen/gendergerechte-sprache-was-bringt-das/hr-fernsehen/Y3JpZDovL2hyLW9ubGluZS8xNDUyNjU/ (Stand: 07.09.2021)
[6] https://www.br.de/mediathek/video/beta-stories-zukunft-der-sprache-was-bringt-gendern-wirklich-s03-e05-av:60e8496a08373c00076931bf (Stand: 07.09.2021)
[7] https://www.youtube.com/watch?v=yUuE_aCrKsQ (MaiLab „Sollte man Gendern?“; Stand: 29.09.2021)
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